DIE GESCHICHTE DES MIESBACHER SCHACHCLUBS:

Knapp vier Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches treffen sich Anfang 1949 im Miesbacher Gasthof "Baderwirt" heimatvertriebene und einheimische Schachenthusiasten. Sie gründen auf Initiative von Engelbert Mainusch – der auch Hauptgeldgeber für das notwendige Spielmaterial ist – den Schachclub Miesbach 1949. Erster Vorsitzender wird Josef Kameter.

Im ersten Mitgliederverzeichnis des Vereins sind neben Engelbert Mainusch und Josef Kameter noch folgende "Gründungsväter" aufgelistet: Wolfgang Gaulinger, Ludwig Vitzthum, Heinz Hinterdobler, Martin Obermaier, Josef Blank, Max Josef Rixner, Wolfgang Jahn, Wolfgang Kühnert, Alfons Kronacker, Friedrich Baier, Wilhelm Zeiler und Franz Atolle.

 

 

Georg Lipinski, einstige Miesbacher Schach-Größe

Acht weitere Namen können einen Monat später in die Mitgliederliste des Clubs eingetragen werden. Unter ihnen, wenn auch nur kurzzeitig, mit Paula Göggler die erste Dame sowie der Spitzenreiter Georg Lipinski, der die nahezu zehn Jahre andauernde "Ära Lipinski" begründen und entscheidend prägen sollte.

Die nächsten Monate sind angefüllt mit diversen Aktivitäten: Vereinsinterne Gründungstuniere werden durchgeführt, eine schlagkräftige Mannschaft – mit Lipinski, Obermeier und Meinusch an den vorderen Brettern – wird zusammengestellt, dem Bayrischen Landessportverband (BLSV) und an Einzelmeisterschaften wird mit Erfolg teilgenommen und die zweite Dame – Antonie Lindendorfer – kann als Mitglied aufgenommen werden.

In der Hauptversammlung 1950 kann daher Initiator Mainusch eine positive Bilanz des vergangenen Jahres ziehen. Und gibt einen erfreulichen Ausblick auf zusätzlich geplante Unternehmen: Lehrschach mit Übungen am Demonstrationsbrett, öffentliches Blitzturnier, Simultanspiele, Schach-Fernwettkämpfe, Bildung einer Mannschaft. Da der bisherige Vorsitzende aus beruflichen Gründen nicht mehr für eine weitere Amtszeit zu Verfügung steht, wird Engelbert Mainusch zum Ersten Vorsitzenden des SC Miesbach gewählt.

Beachtliche Erfolge stellen sich ein: Georg Lipinski erringt dreimal – 1950, 1955 und 1957 – den Titel "Schachmeister von Oberbayern" und stößt im Pokalturnier um den Silbernen Turm der Bundesrepublik Deutschland bis ins Finale vor. Martin Obermeier wird 1050 und 1952 "Oberlandmeister" und 1956 "Oberbayrischer Schachmeister". Und die A-Mannschaft geht aus den Verbandswettkämpfen 1954 als "Oberland-Mannschaftmeister" hervor.

Die Mitgliederzahl hat 1957 den Höchststand von 41 erreicht.

Mit Sieglinde Manzer, Ilse Braun, Rosa Bacher, Dagmar Rüttgers, Marianne Werner, Anna Reisinger und Barbara Gahl haben sich weitere sieben Damen für das königliche Spiel erwärmen können. Als Interimsvorstand unterbricht für ein Jahr Gerhard Seitz 1954 den Vereinsvorsitz von Mainusch, ehe 1957 Mickey Werner zum Ersten Vorsitzenden gewählt wird. Im Café Kern veranstaltet der Schachclub ein Simultanturnier mit Schachgroßmeister Wolfgang Unzicker.

Doch 1958 gerät der Club unvermittelt in heftige Turbulenzen. Durch Wegzug, berufliche Überlastung, Unlust, Krankheit und Tod einiger Mitglieder wird die erste Mannschaft derart geschwächt, dass sie in die A-Klasse absteigt. Die B-Mannschaft muss aufgelöst werden. Das Vereinsleben kommt fast völlig zum Erliegen. Schließlich muss auch noch das Clublokal aufgegeben werden und man spielt mehrere Jahre im "Miesbacher Hof" Hand und im "Gasthof Haindl". Mickey Werner wirft entnervt das Handtuch und Gerhard Seitz übernimmt erneut den Vereinsvorsitz, diesmal für zwei Jahre.

Unvermindert hält auch 1959 der Mitgliederschwund an. Spielleiter Michael Bauer, im Nebenberuf Journalist, wird später in der Heimatzeitung in einem Artikel über den SC Miesbach und das königliche Spiel schreiben: ...dann ging es steil bergab. Das 10jährige Jubiläum brauchte gar nicht erst gefeiert werden, denn der Club war nahezu restlos "eingetrocknet".

Auch Gerhard Setz findet kein Mittel zur Rettung des Vereins.

Aus Mangel an Spielern muss der SC Miesbach bei allen überregionalen Organen abgemeldet werden.

 

 

Dr. Wehrmann

Erst, als Michael Bauer im Januar 1961 selbst den Vereinsvorsitz übernimmt, ändert sich die Lage. Mit Einfallsreichtum und Tatkraft – sowie direkter und indirekter Werbung durch eine perfekte Pressearbeit – haucht er dem Club neues Leben ein. Er erarbeitet eine Vereinssatzung, besorgt Urkunden und Pokale, organisiert Vergleichswettkämpfe und stellt eine schlagkräftige Truppe zusammen, mit der er bei den Verbandswettkämpfen relativ mühelos in die Bezirksklasse aufsteigt. Als er sich im Oktober 1961 nicht mehr zur Wahl stellt, kann er seinem Nachfolger – Dr. Karl Friedrich Wehrmann – ein "bestelltes Haus" übergeben.

Dr. Wehrmann leitet von 1963 bis 1976 und von 1979 bis 1995 die Geschicke des Vereins. 1967 bezieht der SC Miesbach die Gaststätte "Bräuwirt" als Clublokal und bleibt dort zehn Jahre. 1974 wird Johann Bahnleitner "Oberlandmeister". Danach wird der Schachbezirk Oberland aufgelöst und seine Vereine in die Schachbezirke Inn-Chiemgau und Zugspitze aufgeteilt. Der SC Miesbach entscheidet sich für den Schachbezirk Zugspitze.

1974 richtet der SC Miesbach anlässlich einen 25 jährigen Bestehens die Oberbayrischen Schach-Einzelmeisterschaften für Damen, Senioren und Junioren aus sowie den Oberbayrischen Schachkongress. Roman Buresch gestaltet zu dem Ereignis eine Festschrift.

Johann Bahnleitner

Da sich Dr. Wehrmann 1976 nicht mehr zur Wahl stellt, wird Johann Bahnleitner zum Ersten Vorsitzenden gewählt. Nach einem Zerwürfnis mit einigen Mitgliedern verlässt Bahnleitner im Herbst 1977 den Club und Roman Buresch übernimmt den Vereinsvorsitz. Die Spielabende finden im Gasthof "Wendelstein" statt, da der "Bräuwirt" den Pächter gewechselt hat und umgebaut wird.

1978 holt Buresch die Zugspitz-Einzelmeisterschaften der Jugend und Schüler nach Miesbach, die vom 5. bis 8. Januar im Landgasthof "Schweinthal" ausgetragen werden. Sieben Miesbacher Jugendspieler – Feldhaus, Hallinger, Lechner, Schnitzelbaumer, Veit, Haessner und Siefert – nehmen an dieser Veranstaltung teil.

Auch dem "Wendelstein" drohen nun Pächterwechsel und Umbau. Buresch verhandelt mit der Stadt Miesbach wegen einer alternative.

Bürgermeister Hans Schuhbeck bietet den Leseraum der Stadtbücherei als Spiellokal an. Nach Rücksprache mit den Vereinsmitgliedern sagt Buresch zu und der SC Miesbach hält seine wöchentlichen Spielabende von 1979 bis 1997 in der Stadtbücherei ab; die letzten beiden Jahre allerdings im Untergeschoss.